4. September 2019

Kommt auf den Boden, Parteifreunde!

Die Ergeb­nis­se der Land­tags­wah­len in Sach­sen und Bran­den­burg sind hin­ter den Erwar­tun­gen zurück­ge­blie­ben. Das aller­dings liegt nicht dar­an, daß die Ergeb­nis­se schlecht gewe­sen wären, son­dern dar­an, daß die Erwar­tun­gen über­zo­gen waren. Irgend­ein AfD-Funk­tio­när aus Ber­lin muß zur Wahl in Bran­den­burg wohl gar gesagt haben, wir hät­ten ohne Andre­as Kal­bitz noch bes­ser abge­schnit­ten. Noch bes­ser? Noch ganz bei Trost? Abge­se­hen von der unkol­le­gia­len Sti­che­lei und abge­se­hen davon, daß Ber­lin das Bran­den­bur­ger Ergeb­nis erst noch über­bie­ten muß, bevor man sich von dort­her sol­che Kri­tik erlau­ben kann, ist die­se Äuße­rung Aus­druck ast­rei­nen Grö­ßen­wahns und damit lei­der sehr reprä­sen­ta­tiv für die Stim­mung in der Par­tei. Daß wir stärks­te Par­tei wer­den, galt unter den eupho­ri­sier­ten Anhän­gern noch als das Min­des­te. Eine Selbst­ver­ständ­lich­keit! Frag­lich war nur, ob wir es auf Anhieb zur abso­lu­ten Mehr­heit im Par­la­ment brin­gen wür­den oder ob wir zur Macht­über­nah­me einen Koali­ti­ons­part­ner brau­chen wür­den. Das wäre dann vor­zugs­wei­se eine gesund­ge­schrumpf­te CDU. Den ers­ten AfD-Minis­ter­prä­si­den­ten wür­den wir aber so oder so zu sehen bekommen.

Am Ende war es dann der zwei­te Platz und sogar noch etwas weni­ger als in man­chen Umfra­gen – ein Phä­no­men, das schon bei der Bun­des­tags­wahl und bei der Euro­pa­wahl zu beob­ach­ten war. Da man unse­re Wäh­ler nicht mehr mit der Vor­her­sa­ge ent­mu­ti­gen kann, wir blie­ben eh unter der 5%-Hürde, ver­sucht man es mit einer umge­kehr­ten Stra­te­gie. Die Umfra­gen machen uns etwas stär­ker als wir sind. Da wir immer davon aus­ge­hen, her­un­ter­ge­rech­net zu wer­den, und des­halb bei jeder Umfra­ge noch min­des­tens 3% auf­schla­gen, ver­stärkt dies vor der Wahl Beru­hi­gungs­ef­fek­te und nach der Wahl Frus­tra­ti­ons­ef­fek­te. Bei­des soll uns schaden.

Die Frus­tra­ti­ons­ef­fek­te könn­ten aber ent­ge­gen ihrer Inten­ti­on heil­sam sein, denn die­ser per­ma­nen­te Höhen­flug, die­ser Glau­be, es fal­le einem nach und nach alles in den Schoß, man müs­se sich nur in AfD-Blau auf den Markt­platz stel­len und sein Gesicht in die Kame­ra hal­ten, die­ser Glau­be ist genau das, was uns am letz­ten Durch­bruch hin­dert. Man sagt in der Par­tei von jeman­den, der den Erfolg nicht ver­kraf­tet, er bekom­me „Höhe“. Bes­te Bei­spie­le sind Petry, Pog­gen­burg oder, etwas weni­ger bedeut­sam, Backhaus.

„Höhe“ heißt, daß jemand glaubt, sei­ne Wahl zu irgend­was ver­dan­ke er nur zur Neben­sa­che den glück­li­chen Zeit­um­stän­den oder sei­ner Par­tei und zur Haupt­sa­che sei­nen höchst­per­sön­li­chen Eigen­schaf­ten, die bis dahin im Dorn­rös­chen­schlaf lagen, aber nun end­lich wach­ge­küßt wur­den. Je mit­tel­mä­ßi­ger der Cha­rak­ter, des­to stär­ker der Drang, sich Erfol­ge per­sön­lich zuzu­schrei­ben und als unwi­der­leg­ba­ren Beweis der eige­nen Vor­treff­lich­keit gedeu­tet wis­sen zu wol­len. Und da die Quel­le des Erfolgs ja in einem selbst liegt, glaubt man, es gin­ge ewig und gren­zen­los so wei­ter. Jens Mai­er hat die­se per­sön­li­che Erfolgs­trun­ken­heit ein­mal glän­zend ver­dor­ben, indem er erklär­te, in einem Wahl­kreis, den wir zur Bun­des­tags­wahl direkt gewon­nen haben, wäre auch ein blau­er Besen­stiel gewählt wor­den. Sol­che Sät­ze haben das Poten­ti­al, vor den Kopf zu sto­ßen. Aber das sol­len sie. Sie tref­fen näm­lich immer die Richtigen.

In gewis­ser Wei­se hat unse­re gesam­te Par­tei in letz­ter Zeit etwas „Höhe“ bekom­men. Die Erfolgs­ge­schich­te der AfD in Ver­bin­dung mit dem Umstand, daß wei­te Tei­le des Bür­ger­tums vor allem im Wes­ten noch Distanz wah­ren, führt dazu, daß die klei­ne Schar derer, die den Sprung wagen, sehr vie­le Man­da­te und Pos­ten unter sich auf­tei­len. Wer hat noch nicht, wer will noch­mal? Dies wie­der­um spricht sich her­um. Eine ver­derb­li­che Gold­grä­ber­stim­mung brei­te­te sich aus, in deren Umfeld nicht gera­de Leis­tungs­be­reit­schaft und Dis­zi­plin gedei­hen. Unser Glück, daß wir nicht 2013 schon in den Bun­des­tag ein­ge­zo­gen sind! Es wäre unser Ende gewesen.

Und des­halb ist es ganz gut, wenn die Par­tei der unbe­grenz­ten Mög­lich­kei­ten jetzt an eine Gren­ze stößt. Die Pha­se der Rekord­zei­ten von Ein­tritt bis zur Erlan­gung von Man­dat oder Par­tei­job ist vor­bei. Es kommt jetzt eine Pha­se der hart­nä­cki­gen Arbeit. Wir müs­sen uns ver­wur­zeln. Unse­re poli­ti­schen Kon­zep­te müs­sen kon­kre­ti­siert und so an die Rea­li­sie­rung her­an­ge­führt wer­den. Daß wir das Rich­ti­ge wol­len, das haben wir schon gezeigt. Jetzt kommt es dar­auf an, zu zei­gen, daß wir es umset­zen kön­nen. Gefragt ist die Arbeit an der Pro­gram­ma­tik, die Arbeit in den Kom­mu­nen, die Arbeit an uns selbst. Der Bür­ger soll uns nicht nur für gut­wil­lig hal­ten, son­dern auch für qua­li­fi­ziert. Dies ist kei­ne Auf­for­de­rung, weni­ger grund­sätz­lich zu wer­den oder sich anzu­pas­sen; es ist eine Auf­for­de­rung, die in luf­ti­gen Höhen schwe­ben­den und in gro­ben Stri­chen aus­ge­mal­ten Ent­wür­fe aus­zu­ar­bei­ten und zu zei­gen, wie es geht. Die Wah­len in Bran­den­burg und Sach­sen haben dafür den Boden bereitet.

Hans-Tho­mas Tillschneider