24. Februar 2018

Pazderskis Ablenkungsmanöver

Die Grund­zü­ge der wenig ori­gi­nel­len Argu­men­ta­ti­on sind schon aus Petrys Zukunfts­an­trag oder den Ver­schrift­li­chun­gen eines Frank-Chris­ti­an Han­sel her bekannt. Petry fin­det sich übri­gens neben reich­lich ver­flos­se­ner AfD-Pro­mi­nenz (Pret­zell, gar Tre­be­si­us und ande­re) im Ver­tei­ler von Paz­der­skis Rund­mail. Hier sagt der Kreis der Erst­adres­sier­ten im Grun­de schon alles. Paz­der­ski trägt vor: Wenn die AfD kei­ne wir­kungs­lo­se, poli­tisch unpro­duk­ti­ve Kraft blei­ben will, muß sie schnellst­mög­lich mit­re­gie­ren und dazu muß sie sich von radi­ka­len Kräf­ten tren­nen. Nament­lich nennt er nur Pegi­da, man weiß aber, wen er sonst meint. Die Par­tei muß bür­ger­li­cher auf­tre­ten, weil sie nur so die Mas­sen ent­täusch­ter CDU- und FDP-Wäh­ler anzieht und nur so bei poten­ti­el­len Koali­ti­ons­part­nern das Ver­trau­en erwirbt, das sie braucht, um als Regie­rungs­part­ner akzep­tiert zu werden.

Paz­der­ski umreißt die poli­ti­sche Ziel­rich­tung der AfD nur sehr vage und wider­sprüch­lich. Es ist die Rede davon, daß die „Wäh­ler der AfD“ eine „neue Poli­tik“ für unser Land wol­len. Die über­gro­ße Mehr­heit will „deut­li­che Kor­rek­tu­ren“. Es geht um einen „zukunfts­fä­hi­gen Kurs“. Gefor­dert ist „schnel­les, ent­schlos­se­nes Han­deln“. Nun gibt es wohl hun­dert Arten, „neu“, „deut­lich“ und „zukunfts­fä­hig“ zu sein und „schnell“ und „ent­schlos­sen“ zu han­deln. All das ver­läuft sich in der Belie­big­keit eines „Halt mal was Neu­es“. Paz­der­skis Zei­len durch­weht der ganz und gar nichts­sa­gen­de redens­art­li­che “fri­sche Wind”.

Mit­un­ter wider­spricht er sich auch. Paz­der­ski bringt es fer­tig, sich gegen „fort­schrei­ten­den Indi­vi­dua­lis­mus“, aber auch gegen „Gleich­ma­che­rei“ zu posi­tio­nie­ren. Er beklagt, daß Arm und Reich aus­ein­an­der­drif­ten, und plä­diert doch auch gegen „Umver­tei­lung“ – dabei müß­te er, wäre es ihm damit ernst, das Aus­ein­an­der­drif­ten der Gesell­schaft zu ver­hin­dern, Maß­nah­men ergrei­fen, die in libe­ra­ler Pole­mik natür­lich als „Umver­tei­lung“ ver­schrien sind.

Paz­der­ski wirft denen, die in der AfD eine Pro­test­par­tei sehen, vor, daß sie nur sagen, „woge­gen“ sie sind, aber nichts „zur Lösung der Pro­ble­me“ bei­tra­gen, son­dern sie nur beschwö­ren. Dabei beschwört er selbst von „ver­deck­ter Arbeits­lo­sig­keit“ über „Bil­dungs­ver­fall“ und „Isla­mi­sie­rung“ bis hin zur „Ren­ten­mi­se­re“ so unge­fähr alle Übel die­ses Lan­des, ohne auch nur anzu­deu­ten, wie die Abhil­fe aus­se­hen müßte.

Paz­der­ski sieht eine AfD nach sei­nen Vor­stel­lun­gen bei 20% und mehr, wäh­rend eine Pro­test­par­tei-AfD bei 7 bis 12% ver­har­ren soll, geht aber davon aus, daß wir, wenn wir koalie­ren, einen Preis in Form emp­find­li­cher Stim­men­ver­lus­te zah­len müs­sen. Was denn nun?

Paz­der­ski ver­spricht alles und auch das Gegen­teil. Er scheut eine kla­re, sach­li­che Posi­tio­nie­rung und – das ist sein Trick – tarnt sach­li­che Fra­gen als Stil­fra­gen. Er wirft denen, die er für sei­ne Geg­ner hält, vor, daß sie zu laut, zu unsach­lich und zu wenig bür­ger­lich sei­en, was ein wahr­haf­tes Zau­ber­wort ist, unter dem jeder alles ver­ste­hen darf. Ich z.B. den­ke, wenn ich „bür­ger­lich“ höre, immer an eine damp­fen­de Rind­sup­pe mit Mark­klöß­chen und Peter­si­lie. Gut-bür­ger­li­che Küche eben.

Falsch dar­an ist, daß Stil­fra­gen in der AfD gera­de kei­ne Bruch­li­ni­en mar­kie­ren. Die grund­sätz­lich Ori­en­tier­ten kön­nen genau­so sach­lich sein, wie die Anpas­sungs­be­rei­ten durch Absei­tig­kei­ten pro­vo­zie­ren kön­nen. Die Vor­stel­lung, Mer­kel das Fleisch vom Kada­ver zu rei­ßen (von Storch) ist genau­so bizarr wie die Bezeich­nung von Links­extre­mis­ten als „Wuche­run­gen am deut­schen Volks­kör­per“ (Pog­gen­burg). Und die AfD-Frak­ti­on in Sach­sen-Anhalt hat min­des­tens genau­so fun­dier­te Sach­ar­beit abge­lie­fert wird die AfD-Frak­ti­on in Ber­lin. Dar­um geht es also nicht. Die Strö­mun­gen der Par­tei unter­schei­den sich nicht im Stil, son­dern im poli­ti­schen Wil­len. Hüben wie drü­ben gibt es die Sach­li­chen und die Kra­wall­ma­cher. Wenn sich die Strö­mun­gen in der Par­tei in etwas nicht unter­schei­den, dann wohl darin.

Selbst­ver­ständ­lich müs­sen wir zur CDU als einem mög­li­chen Koali­ti­ons­part­ner Ver­trau­en auf­bau­en und selbst­ver­ständ­lich will nie­mand in der Par­tei eine Revo­lu­ti­on. Alles Plat­ti­tü­den! Paz­der­ski spielt sich als Hüter der All­ge­mein­plät­ze auf, um eige­ne Kon­sens­fä­hig­keit zu sug­ge­rie­ren und, wich­ti­ger noch, um das, wor­auf es ankä­me, zu ver­schwei­gen. Das, wor­auf es ankommt, sind die Schlüs­se, die wir aus der Mise­re zie­hen, die Paz­der­ski nur dia­gnos­ti­ziert, um kei­nen Wider­spruch zu erre­gen. Wol­len wir die EU nur refor­mie­ren oder wol­len wir sie ver­las­sen, damit wir die Chan­ce bekom­men, ein neu­es Euro­pa der Vater­län­der zu bau­en? Wol­len wir mit der NATO eben­so ver­fah­ren oder wol­len wir wei­ter­hin unter­stüt­zen, daß die NATO von den US für ihr impe­ria­les Stre­ben miß­braucht wird. Wol­len wir im Sin­ne einer glo­ba­lis­ti­schen Agen­da Ein­wan­de­rung nur bes­ser orga­ni­sie­ren oder neh­men wir die gro­ße Remi­gra­ti­on in Angriff? Wol­len wir es wei­ter dul­den, daß unser Ren­ten­sys­tem zugrun­de gerich­tet wird, um den inter­na­tio­nal agie­ren­den Ban­ken ein neu­es Geschäfts­feld zu erschlie­ßen? Das sind die ent­schei­den­den Fragen.

Paz­der­ski ver­mei­det Ant­wor­ten. Wes­halb sagt er nicht, was er will? Wenn das, was er woll­te, die Zustim­mung von 4/5 aller AfD-Sym­pa­thi­san­ten hät­te, dann könn­te er’s doch sagen. Er sagt es aber nicht, weil er wohl weiß, daß die Mehr­heit der Par­tei es nicht will. In Essen wur­de er bei sei­ner Kan­di­da­tur gefragt, ob er Trans­at­lan­ti­ker sei. Er ist der Fra­ge aus­ge­wi­chen. Die Wahr­heit ist: Er ist Trans­at­lan­ti­ker durch und durch, der in sei­nem Bun­des­fach­aus­schuß frag­wür­di­ge Stra­te­gie­pa­pie­re ver­teilt und dem noch kein grund­sätz­li­ches Wort der Kri­tik an den USA über die Lip­pen gekom­men ist. Er war Jahr­zehn­te Offi­zier in NATO-Stä­ben – von ihm ist kei­ne Umori­en­tie­rung unse­rer Außen- und Sicher­heits­po­li­tik weg vom will­fäh­ri­gen Part­ner der USA hin zu einer selbst­be­wuß­ten Nati­on zu erwarten.

Sein gro­ßes Vor­bild ist die FPÖ, die sich nach der Regie­rungs­bil­dung in Öster­reich beeilt hat, ein Bekennt­nis zur EU abzu­le­gen. Und wofür? Für ein etwas lang­sa­me­res Tem­po beim gro­ßen Aus­tausch und etwas weni­ger Geld für Links­extre­mis­ten. Wir soll­ten die­sem Bei­spiel nicht folgen.

Vor allem aber ist Paz­der­skis Ana­ly­se falsch, weil sie sich in über­leb­ten Kate­go­rien bewegt. Der herr­schen­de All­par­tei­en­kon­sens besteht dar­in, daß die CDU ihre kon­ser­va­ti­ve Gesell­schafts­po­li­tik und die SPD ihre sozia­le Wirt­schafts­po­li­tik auf­ge­ge­ben haben und alle eta­blier­ten Par­tei­en nun eine aso­zia­le Wirt­schafts­po­li­tik mit einer lin­ken Gesell­schafts­po­li­tik ver­bin­den. Die Alter­na­ti­ve dazu wäre, eine sozia­le Wirt­schafts­po­li­tik mit einer kon­ser­va­ti­ven Gesell­schafts­po­li­tik zu ver­bin­den. Nach einem sol­chen, die her­ge­brach­ten Kate­go­rien spren­gen­den, echt patrio­tisch-sozia­len Ange­bot auf dem poli­ti­schen Markt besteht die höchs­te Nach­fra­ge, weil es der kon­se­quen­te Gegen­ent­wurf zum Alt­par­tei­en­kar­tell ist. Wie Aug­stein frei­lich in einer bös­wil­li­gen Ter­mi­no­lo­gie, aber sach­lich rich­tig ana­ly­siert hat, liegt dar­in das Erfolgs­re­zept der AfD (Aug­stein, SPIEGEL Online, 05.02.2018, “Die AfD und der natio­na­le Sozia­lis­mus”).

Vor den Hin­ter­grund von Augsteins Ana­ly­se gele­sen, wird klar, daß Paz­der­ski sein Papier in die Welt gesetzt hat, um eben das zu ver­hin­dern. Paz­der­ski will wie vor ihm schon Petry und wie vor ihr schon Lucke gera­de nicht den durch­schla­gen­den Erfolg der AfD. Sei­ne scheu­klap­pen­ar­ti­ge Beschrän­kung auf das libe­ral-kon­ser­va­ti­ve Spek­trum ist direkt gegen die sozi­al-patrio­ti­sche Syn­the­se als die maxi­ma­le Mobi­li­sie­rung und Aus­schöp­fung all unse­rer Mög­lich­keit gerich­tet. Im Grun­de will er die AfD so plat­zie­ren, daß sie dem Alt­par­tei­en­sys­tem nicht gefähr­lich wird. Das zu wol­len, ist sein gutes Recht, aber dann soll er es bit­te auch sagen.

Hans-Tho­mas Tillschneider

https://patriotische-plattform.de/2057/beitraege/pazderskis-ablenkungsmanoever/