29. März 2018

Was heißt Sozialpatriotismus? Der Fall „Tank und Rast“

Mit der Begrün­dung „Pecu­nia non olet – Geld stinkt nicht“ soll der römi­sche Kai­ser Ves­pa­si­an (gest. 79 n. Chr.) sei­ner­zeit die Ein­füh­rung einer Toi­let­ten­steu­er ver­tei­digt haben. Die Zustän­de an unse­ren Auto­bahn­rast­stät­ten las­sen sich nicht so ein­fach rechtfertigen.

Ein Euro kos­tet dort die Ver­rich­tung des Bedürf­nis­ses, das eigent­lich nie­mand ver­sagt wer­den kann und das man des­halb auch das „mensch­li­che“ nennt. Für den Euro spuckt der Auto­mat am Dreh­kreuz eine Quit­tung aus, die zugleich einen Ein­kaufs­bon über 50 Cent dar­stellt, der aber erst ab einem Min­dest­ein­kaufs­wert von 2,50€ in den Geschäf­ten drum­her­um ein­ge­löst wer­den kann. Es han­delt sich also um einen Rabatt von maxi­mal 20% auf Waren die min­des­tens 100% über­teu­ert sind, denn die Prei­se in die­sen Geschäf­ten sind obs­zön. Das Gan­ze heißt dann zu allem Über­fluß „Sani­fair“. Man hät­te es im Jar­gon bes­ser „Piss once – Pay twice“ nen­nen sol­len, dann fair ist dar­an gar nichts, und es stinkt gewal­tig, wie übri­gens fast alles, was sich in der Wer­be­welt als „fair“ aus­gibt. Auch „Fair­trade“ dient in Wahr­heit nur dazu, dem gemei­nen Gut­men­schen die täg­li­che Dosis des Gefühls, er sei auch ein guter Mensch, über­teu­ert zu verkaufen.

Nun ist die Pres­se auf die Sache auf­ge­sprun­gen und wun­dert sich: Die Bür­ger las­sen Mil­lio­nen­wer­te an Sani­f­air­bons ver­fal­len. Rich­tig so! Weg­wer­fen ist das Klügs­te, was man mit die­sen Sani­f­air­bons machen kann. Sani­fair lohnt sich nicht nur nicht, es ist ein Mus­ter­bei­spiel dafür, wie unser Land durch das inter­na­tio­na­le Finanz­ka­pi­tal aus­ge­beu­tet wird.

1998 hat die damals schei­den­de Bun­des­re­gie­rung als eine ihrer letz­ten Hand­lun­gen die „Tank und Rast“-Gmbh, zu der Sani­fair gehört, pri­va­ti­siert. Am Anfang war dar­an zu 30% noch die Luft­han­sa betei­ligt, doch schon bald wur­de „Tank und Rast“ von Heu­schre­cke zu Heu­schre­cke wei­ter­ge­recht. Über­höh­te Gewinn­aus­schüt­tun­gen haben einen gewal­ti­gen Ren­di­te­druck erzeugt. Alle durf­ten sich im Lau­fe der übli­chen Eigen­tü­mero­dys­see ein­mal sat­tes­sen. Die Struk­tur blieb ent­ge­gen aller libe­ra­len Heils­ver­spre­chen bis heu­te mono­po­lis­tisch. Über 90% der Auto­bahn­rast­stel­len sind immer noch in Hand der Tank & Rast. Von der in den Pri­va­ti­sie­rungs­or­gi­en der 90er Jah­re viel­be­schwo­re­nen Selbst­re­gu­la­ti­on des Mark­tes kei­ne Spur. Das Gan­ze ist ein pri­va­ti­sier­tes Mono­pol, eine Lizenz um Geld­dru­cken, die auch weid­lich aus­ge­nutzt wird.

Aktu­ell soll das Unter­neh­men nach Anga­ben der FAZ über eini­ge Ver­schach­te­lun­gen letzt­lich zwei Fonds gehö­ren, die auf den bri­ti­schen Inseln Guern­sey und Jer­sey sit­zen – zwei berüch­tig­te Steu­er­oa­sen (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/sanifair-toiletten-reibach-an-der-raststaette-11804288.html) Sehr aus­führ­lich und kri­tisch auch die­ser Bericht: https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2018/03/Sanifair-Wertbons-Einloesequote-Geschaeft-Millionen-Tank-Rast.html

Es wäre inter­es­sant, ein­mal zu berech­nen, wie­viel der 2,79€, die wir an der Auto­bahn­rast­stät­te für einen hal­ben Liter abge­pack­tes Lei­tungs­was­ser bezah­len, auf den Kanal­in­seln lan­den. Nicht nur die Aus­beu­tung der Bür­ger durch Steu­ern und Abga­ben ist Aus­beu­tung, auch die­se Form der unfrei­en Markt­wirt­schaft gehört dazu. Sie ist im Grun­de noch ver­werf­li­cher, denn sie zieht das Geld nicht in den Bun­des­haus­halt, wo es größ­ten­teils noch uns Deut­schen wie­der zugu­te­kommt, son­dern pumpt es aus Deutsch­land heraus.

Es geht nicht um die Fra­ge, ob der Staat als Unter­neh­mer fun­gie­ren soll. In den 90ern wur­de jede hoch­ver­rä­te­ri­sche Ver­schleu­de­rung von Volks­ver­mö­gen mit dem Slo­gan „Pri­vat vor Staat“ gerecht­fer­tigt. Die­ser Slo­gan führ­te zu luf­ti­gen Grund­satz­de­bat­ten, wobei die Opti­on „Staat“ durch das Schei­tern der UdSSR a prio­ri für wider­legt galt. Die ent­schei­den­den Fra­gen wur­den so gar nicht gestellt.

Gegen die­se Pseu­do­de­bat­ten kann nicht oft genug betont wer­den: Es geht nicht um „Staat vs. Pri­vat“! Eine Ver­staat­li­chung wäre bei einem Staat, der unser Volks­ver­mö­gen auf ande­rem Wege ver­schleu­dert – Stich­wort EU – genau­so schäd­lich, umge­kehrt ist aber auch eine Art der Pri­va­ti­sie­rung denk­bar, die dem Vol­ke zugu­te­kommt. Wäre die bun­des­ei­ge­ne Mono­po­lis­tin Tank und Rast Gmbh zer­teilt und die Rast­stät­ten an vie­le klei­ne deut­sche Unter­neh­men und ein­zel­ne Unter­neh­mer ver­kauft wor­den, wären – ers­tens – die Kon­kur­renz­me­cha­nis­men nicht außer Kraft gesetzt wor­den, infol­ge­des­sen wären – zwei­tens – die Prei­se an Auto­bahn­rast­stät­ten mode­rat geblie­ben und – drit­tens – wäre der Gewinn aus den Unter­neh­mun­gen auf vie­le tüch­ti­ge Bür­ger ver­teilt wor­den, die die Chan­ce bekom­men hät­ten, sich aus eige­ner Kraft und eige­nem Fleiß eine Exis­tenz zu erar­bei­ten. Sol­che Unter­neh­mer hät­ten für ihre Ange­stell­ten anders als die Heu­schre­cken von den Kanal­in­seln Ver­ant­wor­tung gezeigt und – vier­tens – bes­se­re Löh­ne gezahlt.

Weil die Bun­des­re­gie­rung, bei der es kei­nen Unter­schied macht, ob sie sich rot-grün oder sonst­wie nennt, gera­de das aber nicht woll­te, dür­fen – ers­tens – die Kun­den Wahn­sinns­prei­se bezah­len, wäh­rend – zwei­tens – die Ange­stell­ten der Tank­stel­len zu Hun­ger­löh­nen arbei­ten, – drit­tens – die Fran­chise­neh­mer am Ran­de der Insol­venz wirt­schaf­ten und – vier­tens – Rie­sen­ge­win­ne in inter­na­tio­na­len Finanz­strö­men versickern.

Die Geschich­te der Tank und Rast GmbH, die sich seit den 1990er Jah­ren so hun­dert­fach und tau­send­fach in Deutsch­land abge­spielt hat, erklärt kon­kret, wes­halb unser Wohl­stand dahin­schmilzt und wes­halb immer mehr flei­ßi­ge Bür­ger trotz Arbeit arm blei­ben. Eine AfD, die eine ech­te Alter­na­ti­ve sein will, muß die­se Ver­hält­nis­se beim Namen nen­nen. Der Fall zeigt: Glo­ba­li­sie­rung ist kein Schick­sal, das über uns her­ein­bricht, son­dern ist von den Poli­ti­kern der Alt­par­tei­en in hun­der­ten von fal­schen Ent­schei­dun­gen gemacht. Alles aber, was von Poli­ti­kern gemacht ist, kann auch von Poli­ti­kern rück­gän­gig gemacht werden.

Alle eta­blier­ten Par­tei­en, auch und gera­de die Lin­ken, ver­tre­ten letzt­lich das Inter­es­se des inter­na­tio­na­len Finanz­ka­pi­tals – die einen inten­si­ver, die ande­ren nicht ganz so inten­siv, die einen mit mehr Heu­che­lei, die ande­ren mit weni­ger, die einen mit die­ser Begrün­dung, die ande­ren mit jener. Die AfD als eine sozi­al-patrio­ti­schen Volks­par­tei muß dage­gen eine Wirt­schafts­po­li­tik ver­tre­ten, die allein dem Lebens­stan­dard in Deutsch­land ver­pflich­tet ist. Sie muß dafür ein­ge­fah­re­ne Argu­men­ta­ti­ons­mus­ter ver­las­sen und einen neu­en öko­no­mi­schen Patrio­tis­mus wagen, der vom Neo­li­be­ra­lis­mus gleich­weit ent­fernt ist wie vom Sozia­lis­mus. Eben das heißt sozi­al-patrio­tisch sein!